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Seit Beginn der Wiederansiedlung 2016 wurden elf Übergriffe von Luchsen auf Nutztiere registriert. Bei sechs der Übergriffe waren Schafe oder Ziegen betroffen. Bei den anderen Vorfällen wurde Damwild und Rotwild in Gehegehaltung gerissen.
Tierhalter:innen, bei denen ein Übergriff durch einen Luchs stattfand, können entsprechend des Managementplans für den Umgang mit Luchsen in Rheinland-Pfalz eine 100-prozentige Entschädigung der gerissenen Tiere sowie der Förderung der Materialkosten bei der Umsetzung von empfohlenen Schutzmaßnahmen geltend machen.
Die ersten beiden Übergriffe fanden im Herbst 2016 im Schwarzbachtal bei Leimen statt. Im ersten Fall wurden zwei Ziegen eines Beweidungsprojektes gerissen. Einige Wochen später kam es im gleichen Tal weiter westlich bei demselben Tierhalter zu einem Übergriff auf Schaflämmer. Für beide Übergriffe war Luchskuder Lucky verantwortlich. Insgesamt wurden in beiden Fällen 13 Tiere entschädigt, da eine Luchs-Beteiligung am Verschwinden von sieben Tieren sowie der Verletzung und späterem Tod einer Ziege nicht sicher ausgeschlossen werden konnte. In beiden Fällen waren die Weideflächen auf einer Seite nicht gezäunt, der Bach diente als Weidebegrenzung. Für den Luchs stellt ein Bach jedoch kein Hindernis dar. Es wurden Schutzmaßnahmen umgesetzt und gefördert.
Im Herbst 2018 kam es erneut zu einem Übergriff auf dieselbe Ziegenherde im Schwarzbachtal, diesmal durch einen anderen Luchs, den Kuder Juri. Es wurden zwei Ziegen tot aufgefunden, eine weitere Ziege wurde verletzt, konnte jedoch durch tierärztliche Behandlung kuriert werden. Die Herde war auch in diesem Fall nicht vollständig eingezäunt. Da eine vollständige Zäunung der Herde auf dieser Weide zu diesem Zeitpunkt nicht möglich war, wurden die Tiere vorsorglich von der Fläche genommen.
Der vierte Übergriff fand im März 2019 am Donnersbergkreis statt, und wurde nach den Ergebnissen einer DNA-Probe durch den Kuder Alfi während einer Erkundungstour verursacht. Nachweislich wurde ein Lamm gerissen, ein weiteres Lamm wurde vermisst und war nicht mehr auffindbar. Die Tiere wurden innerhalb eines nicht-elektrifizierten Festzaunes gehalten. Dem Halter wurde entsprechend dem Luchs-Managementplan des Landes Rheinland-Pfalz der Wert beider Tiere erstattet.
2020 kam es im Pfälzerwald erstmals zu Übergriffen auf Wildgehege mit Rot- und Damwildhaltung. In einem Wildgehege bei Heltersberg wurden im Februar 2020 jeweils ein Dam- und ein Rotwildkalb von Luchskuder Alfi gerissen. Das Wildgehege war mit einem handelsüblichen Drahtknotengeflecht eingezäunt. Die Holzpfosten, die bei solchen Gehegen oft zum Einsatz kommen, können von Luchsen als Einstiegsstellen genutzt werden. Um eine Sicherung eines solchen Wildzaunes zu erreichen und weitere Übergriffe zu verhindern, wird eine Elektrifizierung des Geheges empfohlen. Da Luchse Zäune meist kletternd überwinden, werden hierzu mehrere elektrifizierte Drahtlitzen entlang der Oberkante des Zaunes an den Zaunpfosten angebracht. Bei der Installation der Präventionsmaßnahmen hilft den Tierhalter:innen neben dem Luchs-Team der Stiftung Natur und Umwelt Rheinland-Pfalz das ehrenamtliche „Helfernetzwerk Luchs“ des Vereins Luchs-Projekt Pfälzerwald / Vosges. Es gab bereits vor diesen Übergriffen tote Tiere in diesem Wildgehege, bei denen die Todesursache im Nachhinein nicht mehr festgestellt werden konnte. Insgesamt wurden dem Tierhalter der Verlust von fünf Tieren entschädigt, bei denen der Luchs entweder sicher nachgewiesen wurde, oder nicht ausgeschlossen werden konnte, und in räumlich-zeitlichem Zusammenhang standen.
Alfi drang Ende März 2020 in ein weiteres, nicht weit entferntes Damwildgehege bei Trippstadt zweimal kurz hintereinander ein und riss dort zwei Tiere.
Im September 2020 fand ein Übergriff auf ein Wildgehege in Clausen statt, dabei wurde nachweislich ein Damwildtier durch den Luchs Alfi gerissen. Zwei weitere tote Tiere wurden vom Halter nach dem Übergriff nachträglich in seinem Gehege gefunden. Die Todesursache war hier nicht mehr feststellbar, aber aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs wurden sie auf Kulanz ebenfalls entschädigt.
Im Februar 2021 kam es zu zwei nachweislichen Luchsrissen in Ziegenherden, einmal bei Fischbach/Dahn und einmal bei Steinalben. Im ersten Fall gelangte der Luchs Filou in eine Weide mit einem nicht elektrifizierten Zaun und tötete eine Ziege. Um ein erneutes Eindringen des Luchses zu verhindern werden drei elektrifizierte Drahtlitzen entlang der Oberkante des Zaunes angebracht. Durchschlupfmöglichkeiten wurden direkt verschlossen.
Beim zweiten Vorfall auf einer Weide in Steinalben riss der Luchs Alfi nachweislich eine Ziege. Zwei weitere, nachträglich gemeldete Tiere wurden auf Kulanz entschädigt. Die Todesursache war hier nicht mehr feststellbar, aber aufgrund des engen zeitlichen Zusammenhangs wurde ein Anspruch auf Entschädigung anerkannt. Hier gab es Einstiegsmöglichkeiten über am Zaun gelagerte Strohballen für den Luchs, um den Elektrozaun zu umgehen. Diese wurden direkt beseitigt.
Ein weiterer Vorfall ereignete sich im März 2021 in Heltersberg in einem Wildgehege, das bereits schon einmal betroffen war. Hier umging der Luchs wohl die Elektrifizierung durch die Nutzung eines Baumes mit einem ins Gehege reichenden Ast als Kletterhilfe und riss ein Damwild. Schutzmaßnahmen hierfür sind in Umsetzung.
Seit Beginn der Freilassungen im Rahmen des Wiederansiedlungsprojektes wurden in den Jahren 2016 bis 2021 insgesamt knapp 6.300 Euro an Entschädigungszahlungen geleistet und für 9.900 Euro Präventionsmaßnahmen gefördert. Ergänzend kommt bei den Präventionsmaßnahmen ein Pilotprojekt bei der Damwildhaltung in Clausen hinzu, bei dem neu entwickeltes Zaunmaterial aus Dänemark erprobt und dessen Installierung mit zirka 15.650 Euro gefördert wurde.
Zu sehen ist eine nachträgliche Elektrifizierung eines Festzauns mit 3 stromführenden Litzen, um ein Überklettern des Zaunes durch den Luchs zu verhindern.